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Wien - Auch nachdem der Europäische Gerichtshofs (EuGH) im September 2010 das heimische Casino-Monopol gekippt hat und Österreich sein Glücksspielgesetz (GSpG) reparieren musste, ist die rechtliche Lage alles andere als eindeutig. Offen ist etwa nach wie vor, wie genau die Vergabe der Glücksspiellizenzen - die nun erstmals europaweit ausgeschrieben werden müssen - erfolgen soll. Zumal es durch dem Wechsel an der Spitze des zuständigen Finanzministeriums zu weiteren Verzögerungen kommen könnte. In der Branche regt sich jedenfalls Unmut. Die Teilnehmer einer Glücksspieltagung in Wien äußersten am Dienstag zum Teil massive Kritik am Gesetzgeber sowie an nationalen Gerichten. In Österreich werde die Rechtsprechung des EuGH offenbar geflissentlich ignoriert, meinten Juristen.

Der österreichische Glücksspielmarkt befindet sich im Umbruch. Auf der einen Seite muss der bisherige Monopolist Casinos Austria künftig mit Konkurrenz - möglicherweise auch aus dem Ausland - rechnen, auf der anderen Seite verschiebt sich das Zocken zunehmend ins Internet. Während Online-Glücksspiel gesetzlich so gut wie gar nicht geregelt ist, Anbieter daher in einer Grauzone agieren, hat sich zu Spielbanken im Herbst vorigen Jahres der Europäische Gerichtshof geäußert: Laut den Luxemburger Richtern war die Vergabe der Casinolizenzen an die Casinos Austria europarechtswidrig, Österreich musste sein Glücksspielgesetz erneuern - nun ist von "transparenter Interessentensuche" die Rede. Was das heißt, ist noch nicht klar, im Finanzministerium hält man sich darüber weiter bedeckt.

"Auch wenn ich unter 20 Bewerberinnen für einen Sekretariatsposten eine auswählen muss, kann ich am Ende, wenn ich will, wieder die Blonde nehmen - egal, ob sie lesen oder schreiben kann", ätzte der Tiroler Anwalt Patrick Ruth bei der heutigen Veranstaltung des Institute for International Research (IIR). Ruth vertritt Ernst Engelmann, jenen wegen illegalen Glücksspiels verurteilten Casinobetreiber, der das EuGH-Verfahren ("Causa Engelmann") ins Rollen gebracht hat. Engelmann, deutscher Staatsbürger, hatte gegen den Entscheid des Bezirksgerichts Linz aus dem Jahr 2007 Berufung eingelegt, woraufhin sich das Landesgericht Linz an die EU-Richter wandte. Trotz des EuGH-Urteils wurde Engelmann im März 2011 zu einer Geldstrafe verdonnert.

Skandal

Ein Skandal, findet Ruth. Er will demnächst eine Kommissionsbeschwerde sowie eine Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof (OGH) einbringen, wie er bekräftigte. Seiner Ansicht nach hätte Engelmann nicht bestraft werden dürfen. Nach damaligen gesetzlichen Bestimmungen hätte er gar nicht die Möglichkeit gehabt, sich um eine Glücksspiellizenz zu bewerben, zudem steche Europarecht nationales Recht. Von daher dürften österreichische Gericht nicht so tun, "als ob EuGH-Urteile überhaupt keine Relevanz hätten. EuGH-Entscheidungen zum Glücksspiel, die nicht Österreich betreffen, liest man sich nicht mal durch", monierte der Anwalt.

Für Aufregung hatte in dem Zusammenhang auch eine im Oktober 2010 - also noch vor dem Vorliegen des Linzer Urteils - im Internet veröffentlichte Stellungnahme des Justizministeriums gesorgt. Das Justizministeriums hat darin seine Rechtsmeinung zur Causa Engelmann kundgetan, jedoch betont, dass das Statement "nicht geeignet ist, die unabhängige Rechtssprechung zu präjudizieren". Europarechtler Franz Leidenmühler hatte im März gegenüber der APA von einem "autoritären Eingriff" in das Verfahren gesprochen.

Nun gibt es bei Vertretern privater Glücksspielanbieter einen neuerlichen Grund für Empörung: Am 7. April hat das Justizministerium einen Erlass zum Linzer Engelmann-Urteil veröffentlicht, wonach Justiz- und Finanzministerium eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet haben, die auch den Oberstaatsanwaltschaften übermittelt wurde. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob private Anbieter von Glücksspielen auch nach dem EuGH-Spruch wegen Verstoß gegen § 168 StGB (Glücksspiel) bestraft werden dürfen - Branchenvertreter sagen nein, Ministerien sagen ja: Spielbankbetreiber dürfen aus Sicht des Justizministeriums dann bestraft werden, wenn sie die im Glücksspielgesetz vorgesehenen Voraussetzungen - "abgesehen von den durch den EuGH als europarechtswidrig angesehenen" - nicht erfüllen, wie es in der Stellungnahme heißt. Ob der Casinobetreiber überhaupt um eine Konzession angesucht hat, tue hier nichts zur Sache.

Damit gehen die Ministerien mit dem Linzer Landesgericht d'accord. Der zuständige Richter hat die Strafe für Engelmann nämlich im Urteil damit begründet, dass die "unionsrechtliche Unvereinbarkeit des inländischen Sitzerfordernisses ... nicht vom Erfüllen der übrigen in § 21 Glücksspielgesetz normierten Mindestanforderungen an einen Spielbankbetreiber (beispielsweise die Rechtsform einer AG mit einem eingezahlten Grundkapital von 22 Mio. Euro) oder von der Befolgung der laufenden allgemeinen Pflichten ... in der Betriebsphase ..." befreie. Engelmann-Anwalt Ruth dazu: "Mein Mandant wurde nicht einmal gefragt, ob er eine AG hat." (APA)