Der Glücksspielstaatsvertrag und das Internet-Glücksspielverbot verfolgt zumindest auf dem Papier in erster Linie das Ziel, den Spieltrieb der deutschen Bevölkerung auch im Internet in geordnete Bahnen zu lenken!


von Dr. Wulf Hambach und Susanna Münstermann auf timelaw.de

Daher stehen Glücksspielaufsichtsbehörden, Access Provider und Banken vor der Frage, ob
mit dem Glücksspielstaatsvertrag die rechtliche Grundlage für die "Kappung der
Nabelschnur” zu den (auch EU-lizenzierten) Internet-Glücksspielseiten durch
Sperrenverfügungen (sog. ISP-Blocking) sowie durch Untersagungsverfügungen (sog.
Financial Blocking) geschaffen wurde.

Denn eine solche gesetzliche Regelung wäre notwendig, um ein gerichtsfestes staatliches
Monopol zu schaffen, wie auch bereits der Chefanwalt des Deutschen Lotto- und Toto
Blocks, Dr. Manfred Hecker, während einer Anhörung im Landtag von NRW zum Thema
Glücksspielstaatsvertrag zur Vollstreckung des Internetglücksspielverbotes ausführte:

"Wenden wir uns zunächst einmal einem gesetzlich sauber begründeten Monopol zu. Ein
solches Monopol ist im Gegensatz zur heutigen Situation gerichtsfest. (…)
(…) das Glücksspiel über Internet – diese Frage wird immer wieder aufgeworfen – lässt
sich insbesondere bei ausländischen Anbietern auch außerhalb Europas durch die Kappung
der kommunikativen und wirtschaftlichen Nabelschnur verhindern. Denn die im Ausland
ansässigen Unternehmen müssen kommunikativ über Internet, über Provider und über
Internetdienste-Anbieter mit den Spielern kommunizieren." (Zitat aus dem offiziellen
Protokoll der Anhörung, 15.3.2007)

Scheinbar sieht der Glücksspielstaatsvertrag in § 9 Abs. 1 S. 2, 3 Nr. 4 und 5 die
Befugnis der Glücksspielaufsichtsbehörde vor, Kredit- und
Finanzdienstleistungsinstituten die Mitwirkung an Zahlungen sowie Diensteanbietern die
Mitwirkung am Zugang zu unerlaubten Glücksspielangeboten zu untersagen.

Kann man daher sagen: Glücksspielstaatsvertrag und eine Vollstreckung des Internet-
Glücksspielverbotes im WWW – alles ist möglich?

Können die Finanztransaktionen und Internetseiten so einfach gefiltert werden? Wer
haftet bei Fehlentscheidungen? Dürfen unbeteiligte Dritte als Hilfssheriffs zur
Überwachung des rechtlich umstrittenen, staatlichen Monopols herangezogen werden? Grund
genug, dass hier Experten zu raten gezogen werden.

So fand unter der Schirmherrschaft des Verbands der deutschen Internetwirtschaft e.V.
(eco) in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Hambach & Hambach am 26.3.2009 eine
Expertenrunde in Berlin statt, um die Forderungen aus der Politik nach Sperrverfügungen
unter anderem auch zur Umsetzung des staatlichen Glücksspielmonopols aus rechtlicher und
technischer Sicht zu behandeln.

Der eco-Vorstandsvorsitzende Prof. Michael Rotert nahm Bezug auf ein Schreiben der
Bundesregierung an die Europäische Kommission, und erklärte, dass die Formulierung,
dass "ISP und Banken dieses von sich aus als berechtigt akzeptieren werden und die
deutschen Länder bei der Umsetzung ihrer Politik unterstützen werden" große Verärgerung
hervorrufe. Das staatliche Glücksspielmonopol sei für ihn fragwürdig. Private Anbieter
werden aus Gründen der Suchtprävention ausgeschlossen, während die Monopolisten zu
bester Sendezeit am Samstagabend die hohen Jackpotsummen im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen bewerben.

Wie von Prof. Rotert angekündigt, konnten die vortragenden Experten erläutern, weshalb
weder Sperrverfügungen gegen ISP noch Untersagungsverfügungen gegen Banken durch die
Glücksspielaufsichtsbehörden als Mittel zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrages
eingesetzt werden können:

1. Es fehlt eine gesetzliche Grundlage für Sperrverfügungen gegen ISP. Die einschlägige
Norm im Glücksspielstaatsvertrag ist keine gesetzliche Ermächtigung.

2. Aus technischer Sicht sind Sperrungen von Internetseiten schlicht unmöglich. Ein
erlaubtes und attraktives Online-Gambling-Angebot sei der beste Schutz.

3. Sperrungen von Online-Glücksspielangeboten gehen mit hohen Haftungsrisiken einher, da
Abgrenzungen zu erlaubten Online-Glücksspielen, Geschicklichkeitsspielen und
Unterhaltungsspielen schwierig sind und zudem das Staatsmonopol höchstwahrscheinlich
verfassungs- und europarechtswidrig ist.

4. Auch Untersagungsverfügungen gegen Banken auf Basis des Glücksspielstaatsvertrags
verstoßen gegen Verfassungs- und Europarecht.

Herr Schaeffer (Chief Security Analyst, TÜV Rheinland Secure iT GmbH) erklärte bildhaft
die Struktur des Internet und zog das Fazit, es gebe unendlich viele Möglichkeiten,
Blockaden und Zensur zu umgehen, da das Internet gerade dazu geschaffen wurde, Blockaden
selbstständig zu umgehen. Die Sperren werden nur zur besseren Verschleierung der Netze
beitragen. Online-Glücksspiel sollte nicht verboten, sondern gesteuert werden. Wer gute
Angebote schafft, die auf der Höhe der Zeit sind und stets weiterentwickelt werden, wird
die Benutzer auffangen und ihre Abwanderung zu illegalen Angeboten vermeiden.

Herr Rechtsanwalt Dr. Hambach (Founding Partner, Hambach & Hambach Rechtsanwälte)
stellte dar, weshalb aus glücksspielrechtlicher Sicht hohe Haftungsrisiken mit den
Sperrungen einhergehen. Neben den laufenden Vertragsverletzungs- und
Vorabentscheidungsverfahren gegen das deutsche Glücksspielmonopol vor dem Europäischen
Gerichtshof, weshalb lizensierte EU-Anbieter lieber nicht gesperrt werden sollten, seien
weitere Abgrenzungsfragen problematisch. Daher dürften Pferdewetten,
Geschicklichkeitsspiele oder Spiele mit geringwertigen Einsätzen im Internet ebenso
wenig gesperrt werden, wie reine Unterhaltungsspiele. Das in sich widersprüchliche
Glücksspielrecht sollte auf Bundesebene harmonisiert werden und eine
Glücksspielaufsichtsbehörde sollte eingerichtet werden, die die Angebote Privater im
Internet überwacht.

Herr Prof. Dr. Ohler (Universität Jena, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht,
Völkerrecht und Internationales Wirtschaftsrecht) sprach zu dem Thema "Kappung der
Finanzströme – Überwachung im Auftrag der Glücksspielaufsicht" und brachte erhebliche
verfassungs- und europarechtliche Zweifel zum Ausdruck. Die Bank als Unbeteiligte könne
nur im so genannten "polizeilichen Notstand" zur Unterstützung herangezogen werden. Aus
seiner Sicht könne die Bekämpfung unerlaubten Glücksspiels nicht zur Begründung des
polizeilichen Notstands ausreichen. Ebenfalls fehlende Suchkriterien für eine
automatisierte Filterung sowie fehlende Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag im
Vergleich zum Geldwäschegesetz und europarechtliche Bedenken würden deutlich machen,
dass die gesetzliche Regelung unzureichend sei.

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags mit heißer
Nadel gestrickt wurden und allein der politische Wille maßgeblich war. Die Evaluierung
und Neuregelung des "großen Bruders" des GlüStV in den USA, des "Uniform Internet
Gambling Enforcement Act (UIGEA)", zeigen deutlich die Schwachstellen derartiger
gesetzlicher Regelungen auf. Anstelle Zahlungsströme effizient und automatisch zu
filtern, kann bei der notwendigen Differenzierung zwischen landbased und online,
erlaubten und illegalen Glücksspielen nicht mehr als ein "know your customer" Fragebogen
von der ursprünglichen gesetzlichen Forderung bleiben.

Werden die Erkenntnisse der Experten aufgegriffen? Können Banken und Access Provider
darauf vertrauen, dass den rechtlichen und technischen Bedenken Rechnung getragen wird?

Der bayerische Glücksspielreferent und Vater des Glücksspielstaatsvertrages Dr. Thomas
Gößl nahm auf der Munich Gaming am 1.4.2009 zum Thema "Spielarten im Netz: Gewinnspiel,
Glücksspiel, Online-Spiel – Herausforderung für den Jugendschutz" Stellung. Herr Dr.
Gößl äußerte den Wunsch, man möge den Glücksspielstaatsvertrag einfach mal hinnehmen und
die Stoppschilder im Internet beachten, damit endlich Ruhe auf dem deutschen
Glücksspielmarkt einkehre. Aus seiner Sicht gebe es weder verfassungs- oder
europarechtlich berechtigte Zweifel. Andere Teilnehmer dieser Podiumsdiskussion, wie z.B
Frau Sabine Frank (FSM), wiesen darauf hin, dass eine Entscheidung des EuGH zum
deutschen Sportwettenmonopol erst noch erwartet wird. Herr Prof. Schneider (ZAK-
Beauftragter für Programm und Werbung, Düsseldorf) prägte im Anschluss den für die Frage
von Sperrverfügungen insgesamt bedeutsamen Satz, dass ein Verbot, welches nicht
durchgesetzt werden kann, unglaubwürdig macht.

Ergo: Weder können deutsche Stoppschilder im Internet aufgestellt werden, noch werden
(unzulässige) Sperrverfügungen gegen einzelne Anbieter deutsche Verbraucher daran
hindern, im Internet an Glücksspielen teilzunehmen. Aus Sicht des Verbraucher- und
Jugendschutzes ist dem Gesetzgeber vielmehr vorzuhalten, dass er kein kontrolliertes
Angebot geschaffen hat. Eine Reformierung des Glücksspielrechts durch Schaffung eines
Bundesglücksspielgesetzes und einer entsprechenden Bundesglücksspielaufsichtsbehörde ist
unvermeidbar, um den Spieltrieb der deutschen Bevölkerung auch im Internet in geordnete
und überwachte (!) Bahnen zu lenken!

Dr. Wulf Hambach, Founding Partner und Susanna Münstermann, Senior Associate

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