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Casino Forum Pressemeldung
vom 4.Mai 2006
"BELLE ET FOU"-SPEKTAKEL
Fleischbeschau statt Erotik-Show
Von Eva Lodde
Viel nackte Haut gibt es in "Belle et fou" zu sehen. Doch "Ein Spiel
mit der Lust" - so der Untertitel - ist das kulinarische Event von Hans-Peter
Wodarz und Arthur Castro in Berlin nicht. Stattdessen wird eine als Musical
getarnte Sex-Revue für Touristen serviert.
Berlin - Diese Reibeisenstimme musste natürlich den Abend eröffnen.
Falls die Zuschauer nicht schon wegen des Untertitels "Das Spiel mit der
Lust" eindeutige Erwartungen hatten - Barry White ließ gestern Abend
keine Zweifel mehr: "Es wird heute Abend keine Unterbrechungen geben, Baby"
oder "Ich will, dass du heute Abend wild bist". Sein Raunen verspricht zwar
einerseits ein bisschen Erotik, aber wird eben immer zur Geräuschkulisse
für den oft besungenen, endlosen Sex.
"Belle et fou" verspricht der Titel der neuen Show von Hans-Peter Wodarz
und Arthur Castro, das heute Abend in Berlin Premiere feiert. Schön,
das sind die Tänzer und Tänzerinnen wohl, verrückt sind sie
allerdings nicht. Die tanzenden Leiber bilden eine sich drehende und springende
Masse, die einer gut choreographierten Girl- oder Boygroup-Performance
ähnelt. Ein bisschen Schweiß glänzt auf den meist nackten
Körpern, sie rollen sich kollektiv über den Boden, recken und strecken
sich. Eine Jalousie dient als Vorhang. Der Zuschauer im puffig-anmutenden
Ambiente, eingehüllt von roten und auberginefarbenen Wänden, soll
Voyeur sein. Der Hintergrund wird von Beamern mit Fotos, Filmen und sich
schlängelnden Graphiken angestrahlt, die nackten Leiber bleiben dann
die Projektionsfläche der Phantasie.
Doch viel ist es nicht, das die Gedanken des Zuschauers weitertreibt oder
reizt. Es ist ja schon alles zu sehen. Zwei der Tanzszenen zumindest bleiben
im Gedächtnis: Bei der einen tauchen auf der Wand sich drehende Zahlen
eines einarmigen Banditen auf - passend zur Berliner Spielbank am Potsdamer
Platz, in dem das kleine Theater neu gebaut wurde. Nicht nur die Zahlen,
auch die Bühne rotiert: Laufbänder fahren ab, Männer und Frauen
drehen sich auf großen Holzkreisen. Die Körper schlängeln
sich, winden sich vom Kreis aufs Laufband und zurück, chaotisch und
doch geordnet. Ob in Corsage oder roten Lederstrapsen - trotz der schwarzen
Perücken wird es endlich etwas individuell. Die Haut glüht im roten
Licht der Scheinwerfer. Der minimale Bass puckert lasziv.
Eine andere Szene ist von atemberaubender Langsamkeit: Ein
Tänzer-Pärchen stemmt sich abwechselnd in die Höhe, wird eins
und fließt, begleitet von Lounge-Musik der Gruppe Jazzanova, wieder
auseinander. Ein subtil erotischer Kraftakt im krassen Gegensatz zu den nackten
Hintern im Stringtanga.
Knistert es wie in dieser Szene kurz, dann währt das nicht lange. Dann
nämlich kommen Claire und Karl in Spiel. Sie, die französische
Zicke mit einem permanenten Akzent ("Isch 'asse disch!"), der nach fünf
Minuten Quängeln jegliche süße Unschuld verliert; er, der
deutsche Grobian, der es selbst nach 30 Jahren Ehe nicht versteht,
vernünftig Komplimente zu machen ("Ich liebe deine Falten, wenn du
lachst."). So liefern sich die beiden einfallslose Dialoge, in denen nicht
nur Szenen einer Ehe klischeeartig abgearbeitet werden, sondern auch noch
nationale Stereotypen. Was ist nun besser: Kaviar oder Eisbein?
Kein Moulin Rouge und kein Revue-Theater
Immer wieder treten die beiden zwischen den Choreographien auf und erzählen
ihre Liebesgeschichte, die dann nachgetanzt wird: wie sie damals im Park
spazieren gingen, wie sie sich das erste Mal küssten, und wie beide
den Versuchungen anderer Männer oder Frauen wiederstehen müssen.
Die Geschichte des Pärchens soll für ein paar Lacher sorgen,
womöglich können sich ein paar der angereisten Premierengäste
sogar gut mit ihnen identifizieren. Hans-Peter Wodarz gibt das vor dem Beginn
der Show freimütig zu: "Wir wollen viele, viele Touristen nach Berlin
locken." Und die Fußballweltmeisterschaft steht ja gerade vor der
Tür.
Ganz nach den Interessen der Wochenendbesucher werden dann noch in einem
schnell geschnittenen Clip zur schnarrigen Stimme von Max Herre die Highlights
von Berlin aneinandergereiht: Brandenburger Tor, Siegessäule, Fernsehturm.
Zuvor wurde der historische Wandel Berlins in einem kurzen Schwarzweiß-Film
zusammengefasst: Marlene Dietrich, Kaufhaus des Westens, Rosinenbomber. Selbst
Trümmerfrauen werden gezeigt. Da wirken die barbusigen Mädels
deplaziert, die Jungs mit ihren nackten Oberkörpern gehen ganz unter.
In einer großflächigen, sehr eleganten Werbekampagne war "Belle
et fou" als ausgefallene, dekadente Kunstaktion inszeniert worden. Statt
dessen ist es Unterhaltung für Touristen, die von Berlin etwas verruchtes
erwarten - und sich mit ein paar spitzen Brustwarzen zufrieden geben. "Belle
et fou" ist nicht Moulin Rouge und auch kein Revue-Theater, sondern eine
Musical-gewordene Sex-Postille, allerdings ohne Schmuddelszenen.
Ein wenig Extravaganz gibt es natürlich doch: In den 69 Euro Eintritt
(79 Euro am Wochenende) ist ein recht übersichtlicher Vorspeisenteller
inbegriffen - mit Paté, zwei Spargelstückchen, Gemüsemousse
und etwas Lachs. Nicht umsonst war Starkoch Wodarz schon für das
kulinarische Tanzspektakel "Pomp, Duck and Circumstance" verantwortlich.
Und wer sich wirklich etwas leisten möchte, kann einen Löffel Kaviar
kaufen - für 12,50 Euro. Das kurze kulinarische Intermezzo wird auch
"Vorspiel" genannt - leider fehlt der Höhepunkt.
Quelle: spiegel.de
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