30.10.2006
Glück im Spiel als Frage der Präzisionsarbeit
In der neuen Spielbank werden die Roulette-Kessel eingebaut. Ab Dezember rollte die Kugel.
Die Verpackung wirkt prosaisch: Grobe Weichholzkisten schützen die rare Fracht, die von den Helfern vorsichtig ins Haus getragen wird - entscheiden die Geräte doch in Zukunft über Glück und Enttäuschung. Gestern früh wurden in der neuen Spielbank am Stephansplatz die Roulette-Kessel geliefert. Zehn Tische gilt es zu bestücken in dem Haus, das einmal das "Hotel Esplanade" war, zwei große französische und acht kleine amerikanische. Die Roulette-Kessel kommen aus England, genauer aus dem Ort Betherstone in Kent. Die Kessel für die amerikanischen Tische sind aus Mahagoni gefertigt, die für die französischen aus Messing.
"Zehn Wochen dauert es, einen solchen Roulette-Kessel zu bauen", sagt Andrew Cammegh, der das Geschäft seit 16 Jahren betreibt. Es sind Geräte mit inneren Werten, mit einem stählernen Herzen, mit Lagern, die ein Leben lang halten und keine Wartung benötigen, sagt Siegfried Hampel, technischer Leiter für das sogenannte Große Spiel. Wenn die Kessel in die Tische eingesetzt sind, beginnt die komplizierte Justierung, damit das Rad sich exakt dreht. So weit stimmt die Szene mit nostalgischen Vorstellungen vom Roulette überein. Im Hintergrund bestimmen längst Computer und Software den Alltag. Kameras werden die Tische beobachten, den Lauf der Kugel überprüfen, aufnehmen und auf die Displays an den Tischen übertragen. Dafür hat Cammegh eine besonders leistungsfähige Software entwickelt. Auch die Tische, in denen die Kessel eingebaut wurden, sind Importware; sie wurden in Baden bei Wien nach Hamburger Entwürfen gefertigt. Und auch sie verbergen komplizierte Technik. So werden die Jetons an den amerikanischen Tischen automatisch sortiert und mit Pressluft wieder nach oben befördert.
Die Tische für das Große Spiel stehen im ersten Stock der Spielbank, die sich erst langsam aus Gerüsten und Verschalungen schält. Unter Hartfaserplatten schaut weißer Marmor hervor, unter Pappe verbirgt sich dunkelroter Veloursteppich, hinter Plastikplanen goldglänzende Jalousien, die das Tageslicht abschirmen, damit sich die Spieler ganz auf Zahlen, Karten und Automaten konzentrieren können. Auch im Parterre regiert noch das Chaos. Metall glänzt dort, wo in Zukunft ein Wasserfall für Atmosphäre sorgen soll. Im Spielsaal sind die 150 Spielautomaten noch staubfest in Plastik verpackt, bevor sie werbeträchtig unter "Search Money", "Wheel of Adventure" oder "Egyptian Princess" zur Kasse bitten - oder Bares auszahlen. Und im Eingang wird auf einem Podest ein Sportwagen aus Stuttgart als Supergewinn locken.
Am 1. Dezember eröffnet die Spielbank mit geladenen Gästen, vom 2. Dezember an kann hier Jedermann sein Glück auf ein Extra-Weihnachtsgeld versuchen. Die Besucher werden Räume vorfinden, die gleichermaßen Opulenz und Schlichtheit ausstrahlen. "Keine einfache Aufgabe", sagt Architekt Jürgen Böge. Denn das Konzept, eine Harmonie aus Rot, Gold und Schwarz sollte der Vorstellung von herkömmlichem Casino-Pomp ebenso nachkommen wie dem Wunsch nach klaren Formen. Darüber hinaus bestimmte Feng-Shui die Gestaltung. Hoffnung für die Spieler oder die Stadt? Die Spielbank ist Hamburgs größter Einzel-Steuerzahler.
welt.de
---
Zitieren
