01.08.06
Zocken zu Hause leicht gemacht
Der Staat wittert für Internet-Spielbanken ein lukratives Geschäft und plant deren Legalisierung. Auch die Spielbanken machen Druck, denn derzeit herrscht Flaute an den Roulettetischen. Eine Entwicklung, die Suchtforschern Sorge bereitet.
Der Familienvater sitzt nachts im Unterhemd am virtuellen Roulettetisch und verzockt das Erbe der Kinder - ein Horrorszenario von Suchtberatern. Es könnte bald Realität werden. Möglich macht dies das Internet. Bereits seit zwei Jahren bessert die staatlich konzessionierte Spielbank Wiesbaden per Internet ihre Einnahmen auf.
Die Pläne für weitere Angebote liegen auch in den Schubläden der Konkurrenz bereit. Bald könnten entsprechende Gesetzesänderungen die Internet-Zockerei für jedermann deutschlandweit erlauben.
Die Spielbanken machen Druck: Denn nach dem Boom in den 90er Jahren herrscht derzeit Flaute an den Roulettetischen. Seit Jahren stagnieren die Erlöse. Erreichte der Bruttospielertrag der deutschen Spielbanken 2001 noch mit knapp 1 Mrd. Euro einen vorläufigen Rekord, so fiel er im vergangenen Jahr auf nur noch 952 Mio. Euro.
Verantwortlich für diese Entwicklung sind Tausende ausländische Onlinekasinos, die den Spielbanken zunehmend das Wasser abgraben. Umso mehr drängen die Betreiber darauf, selbst ins lukrative Internetgeschäft einsteigen zu dürfen. Verbraucherschützer hingegen fürchten, dass die Hemmschwelle für das Glücksspiel weiter sinkt.
Gute Kontrollmöglichkeiten
Das bestreitet auch Matthias Hein nicht. Der Sprecher der Deutschen Spielbanken-Interessen- und -Arbeitsgemeinschaft (Desia) und Spielbankchef von Schleswig-Holstein sieht jedoch Vorteile für die Suchtprävention.
"Im Prinzip bietet das Internet die besten Kontrollmöglichkeiten. Wir können sehen, wie oft sich ein Spieler einloggt, wie viel er setzt und wie viel er verliert", sagt Hein. Daraus ließen sich leichter Rückschlüsse auf potenziell Süchtige ziehen.
Wenn nötig, könne die Spielbank den Spieler problemlos ausschließen. Anders hingegen sei dies bei den wuchernden illegalen Glücksspielanbietern aus dem Ausland: "Keiner kann ein Internetkasino mit Sitz in der Karibik kontrollieren", sagt Hein.
Der Staat verdient mit
Bisher ist staatlich sanktioniertes Zocken per Mausklick in den meisten Bundesländern noch nicht erlaubt. Die Mehrzahl will aber der ausländischen Internetkonkurrenz bald ein eigenes Angebot entgegensetzen. Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben die Rechtsgrundlagen dafür schon geschaffen. Der Desia schwebt gar ein einheitliches bundesweites Portal vor.
Kritiker vermuten dahinter Finanzinteressen. Denn der Staat verdient bei jedem verzockten Euro kräftig mit. Je nach Landesverordnung führen die Spielbanken bis zu 80 Prozent der Gewinne an die öffentliche Hand ab. 2004 kassierte der Staat von den gesamten Glücksspieleinnahmen fast 4,35 Mrd. Euro.
Ohne Gesetzesgrundlage droht den Plänen jedoch das gleiche Schicksal, das der Spielbank Hamburg vor einigen Jahren widerfuhr. Das Verfassungsgericht verbot das Online-Roulette mit dem Verweis auf das damalige Spielbankgesetz. Die Begründung: Das virtuelle Glücksspiel weise eine niedrigere Zugangsschwelle auf, und das Spielverhalten Süchtiger sei schwerer zu kontrollieren als beim Spiel im Casino.
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