24.05.2005
Amerikas Schüler vom „Poker-Virus“ befallen
WASHINGTON. David Simley, Direktor der High School der Stadt Elgin im US-Bundesstaat Illinois, hat kürzlich neue Verbotsschilder prägen lassen. In der Schule jetzt unerwünscht: Drogen, Waffen, Nikotin - und seit neuestem auch Spielkarten.
In den USA grassiert das Poker-Fieber - und es ergreift immer mehr Kinder und Jugendliche. Dazu beigetragen haben vor allem die täglichen TV-Sendungen, bei denen der Sport-Kanal ESPN weiter Öl ins Feuer gießt. Allein 20 Kameras begleiteten am Sonntag das Live-Finale bei den amerikanischen Poker-Meisterschaften, wo auch 18- bis 20-Jährige in T-Shirts mit am Tisch saßen. Unternehmen wie der Supermarkt-Gigant Walmart profitieren längst vom Kartenspiel-Fieber und können mit Lieferungen von „Poker-Sets“ kaum nachkommen.
Die Hälfte dieser Sets landet, so ergab eine Untersuchung, in den Händen von Kindern. Doch gespielt wird nicht nur um bunte Perlen: Das Annenberg-Forschungszentrum für Gesellschaftspolitik fand jetzt heraus, dass mittlerweile 26 Prozent aller US-Schüler bei ihren Poker-Partien Geld einsetzen. Das macht vor allem jenen Sorgen, die sich mit den Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Kinder befassen.
Experten befürchten
bereits Sucht
Eine Studie der Yale-Universität zeigt nämlich, dass Jugendliche, die früh mit einem Glücksspiel beginnen, ein bis zu vier Mal höheres Risiko haben, spielsüchtig zu werden. Am meisten gefährdet seien „junge Anfänger mit viel Glück,“ sagt US-Wissenschaftlerin Rachel Vollberg. „Wer am Anfang viel gewinnt, kann zu dem Gedanken verleitet werden, er könne damit sein Leben bestreiten.“ Dass dies - zumindest für einige wenige - möglich ist, vermitteln die TV-Hintergrundberichte, die fast jedes Poker-Turnier begleiten. Sie präsentieren den Aufstieg von wohlhabenden Spielern, die unter Jugendlichen mittlerweile das gleiche Ansehen wie Popstars genießen. Auch Justin Sherman, ein 13-jähriger Schüler aus Maryland, holte sich den „Poker-Virus“ im Fernsehen. „Die Spieler sind alle super cool,“ sagt er, „und gewinnen jede Menge Geld.“ Doch für süchtig hält sich Sherman nicht: „Ich setze nur ganz wenig ein, wenn wir nach der Schule spielen.“
Glücksspiel-Experte Jeffrey Deverensky berichtet mittlerweile noch von einem ganz anderen Phänomen: Kinder, die die Kreditkarten-Nummern ihrer Eltern stehlen und im Internet an Pokerrunden teilnehmen. „Es ist doch paradox“, sagt Deverensky. „Einmal sagen wir den Kindern: Geht zur Schule und arbeitet hart. Andererseits vermitteln wir ihnen: Du brauchst nur einen Jackpot, um reich zu werden.“
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