06.02.2005
Finanzsenator will "Spieltrieb kanalisieren"
Sportwetten haben Konjunktur.
In Berlin gibt es gut 80 private Anbieter
von Katharina Mohr
Verrauchte Hinterstübchen, Männer, die tief gebeugt über Spielplänen und Bündeln von Geldscheinen hocken und dabei große Flimmerkisten nicht aus den Augen lassen. Das private Wettbüro hat ein Schmuddelimage. Der Wettskandal um den Bundesliga-Schiedsrichter Robert Hoyzer hat diesen Eindruck noch verstärkt.
Das "Café King" in der Rankestraße, in dem Hoyzer seine Absprachen getroffen haben soll, ist als Spielhölle und Hort der kroatischen Wettmafia in die Annalen der Hauptstadt eingegangen.
Das Bild zeigt aber nur die halbe Wahrheit. Sportwetten finden lange schon nicht mehr nur im halbseidenen Milieu statt. Und nicht jedes Wettbüro ist eine verqualmte Musikkneipe. Megabet am Kottbusser Damm zum Beispiel: Helle, moderne Räume empfangen den Kunden. An den Wänden hängen, ordentlich sortiert, gelbe Spielpläne, und hinter dem Tresen sitzt Nasrin Abdallah, eine junge Frau, und nimmt Wettscheine und Einsätze entgegen.
Nach Ansicht der Senatsverwaltung für Finanzen arbeiten private Fußballwetten-Anbieter illegal. "Legal ist nur die staatseigene Wettagentur Oddset", sagt der Sprecher der Finanzverwaltung, Matthias Kolbeck. "Und das Monopol hat auch seine Berechtigung." Es sei Aufgabe des Staates, den "natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung" zu kanalisieren und in geordneten Bahnen zu halten.
Doch der Markt der privaten Anbieter in Berlin boomt. Kolbeck schätzt, daß es in Berlin zur Zeit 80 Büros dieser Art gibt. Genaue Erkenntnisse habe man nicht.
Aber es gibt Anzeichen dafür, daß das wohlgehütete Monopol ins Wanken gerät. Das Landgericht Berlin beurteilte die Frage nach der Illegalität im September 2003 anders als die Finanzverwaltung. Damals hatte die Polizei in einem Wettbüro in der Stadt Wettunterlagen und Computer beschlagnahmt. Der Betreiber des Büros war selber kein Buchmacher, sondern vermittelte nur Wetten an ein Wettbüro mit britischer Lizenz auf der Isle of Man. Das Landgericht sah darin aber kein unerlaubtes "Veranstalten eines Glücksspiels". Für die Beschlagnahme gab es keine Berechtigung. Seitdem werden zwar durch das Ordnungsamt private Sportwetten-Anbieter weiter aufgefordert, ihren Betrieb einzustellen. Vollstreckt wird dies durch die Behörden nicht, wie Kolbeck einräumt.
An dieser Praxis wird auch der aktuelle Wettskandal zunächst nichts ändern. Eine besondere Anweisung, jetzt verstärkt gegen illegale Wettbüros vorzugehen, habe es seit dem Fall Hoyzer nicht gegeben, bestätigt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin, Michael Grunwald. Die Staatsanwaltschaft habe auch schon bisher in den Fällen, die ihr bekannt geworden sind, die gebotenen Maßnahmen ergriffen. In den letzten zwei Jahren hat es bei der Staatsanwaltschaft in Berlin 230 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel gegeben. Davon standen zahlenmäßig eher weniger im Zusammenhang mit Sportwetten, die Mehrzahl entfiel auf das Automatenspiel. Von der reinen Anzahl der Verfahren sei aber nicht auf die strafrechtliche Bedeutung der Sportwette zu schließen, ergänzt Grunwald. "An der Gewinnsumme, die im Zusammenhang mit dem Fall Hoyzer genannt wird, erkennt man, daß es nicht allein auf die Anzahl der Verfahren ankommt", betont er.
Die Vermutung, daß es der Stadt Berlin bei der Sicherung des Monopols auch um die Sicherung der Einnahmen durch das Glücksspiel geht, weist Finanzsprecher Kolbeck freilich zurück. Die Einnahmen, die das Land durch das Glücksspiel habe, seien im Hinblick auf den Gesamthaushalt der Stadt zu vernachlässigen.
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