Glücksspiel, Städte wollen zocken

[Casinonews]

Einarmige Banditen sind für Städte Geld wert: Die Zahl der Glücksspielautomaten ist nach aktuellen Daten aus dem Jahrbuch Sucht auf 220.000 bundesweit gestiegen. 2006 wurden erst 200.000 gezählt. "Die Städte sind gepflastert mit den Automaten", sagt Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende der bundesweiten Fachstelle Glücksspielsucht in Herford. 80 Prozent aller Spielsüchtigen seien von Automaten abhängig. Viele hätten zehntausende Euro Schulden.

Doch bislang wollen die Kommunen nicht gegen die blinkenden Spielgeräte in Imbissbuden und Freizeithallen vorgehen. Denn diese gelten nach Bundesrecht als "Unterhaltungsspiel mit Gewinnmöglichkeit" und fallen daher unter das Gewerberecht. Und so verdient jede Stadt über die Vergnügungsteuer an den Süchtigen. Köln beispielsweise nahm 2007 knapp fünf, Dortmund zwei Millionen Euro ein.


Gepuscht wird das Geschäft mit den Münzautomaten vor allem durch den seit diesem Januar geltenden Glücksspielstaatsvertrag, der alle Spielanbieter drastisch beschränkt. Er setzt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um. Die Richter hatten 2006 das seit Jahrzehnten bestehende staatliche Wettmonopol für zulässig erklärt - allerdings nur, wenn der Staat das Glücksspiel stärker reguliert und die Spielsucht intensiver bekämpft. Werbung für Lotterien und Sportwetten wurden untersagt. Neben Wettbuden betrifft dies vor allem private Lottovermittler und Anbieter für Online-Systemscheine. Die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder bat schon in einem Beschluss vom 13. Dezember 2006 den Bund, die Spielverordnung für Automaten dem neuen Glücksspielstaatsvertrag anzupassen - geschehen ist bisher nichts.

Vielleicht auch, weil der gerade in Kraft getretene Vertrag verwirrende Ausnahmen bietet: So sind private Fußballwetten verboten, Pferdewetten nicht. Große Wettfirmen wie Bwin dürfen nicht mehr im Fernsehen Reklame machen, die Ziehung der Lottozahlen und Lotterien wie "Aktion Mensch" oder "Die Goldene Eins" dürfen das Fernsehen nutzen.

Auch die einarmigen Banditen wurden von der Verbotswelle nicht erfasst. "Der Einfluss der Automatenindustrie ist ähnlich groß wie der der Tabakindustrie", sagt Harald Terpe, drogenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen. Diese hatte im November im Bundestag beantragt, die Automatensucht einzudämmen, etwa durch eine längere Spieldauer und geringere Gewinne. Der Antrag wurde allerdings umgehend in den Wirtschaftsausschuss verschoben, der dem Automatenspiel bislang immer positiv gegenüber stand. Terpe fordert dennoch, im Gesundheitsausschuss über die Sucht zu debattieren. "Ein Antrag zur Alkoholabhängigkeit wird ja auch nicht federführend im Wirtschaftsausschuss behandelt, nur weil er die Alkoholindustrie betrifft." Die Einflüsterungen der Automatenindustrie seien offenbar erfolgreich.

Tatsächlich hat die 2006 geänderte bundesweite Spielverordnung die Suchtfaktoren noch verschärft. Die Spieldauer wurde von zwölf auf fünf Sekunden gesenkt, die Zahl der zulässigen Geräte in Gaststätten heraufgesetzt. "Die Menschen werden immer schneller in die Sucht hineingezogen", sagt Beraterin Füchtenschnieder. "Obwohl es die größte Sucht ist, wird sie am wenigsten problematisiert." Füchtenschnieder fordert wie die Grünen, weniger Automaten zuzulassen und zum Beispiel das Nutzen von EC- oder Kreditkarten zu verbieten.

Für den Deutschen Städte- und Gemeindebund sind die Münz-Maschinen "ein zweischneidiges Schwert". Die Vergnügungsteuer solle eigentlich auch dazu dienen, die Zahl der Automaten zu beschränken, so Sprecher Franz-Reinhard Habbel. Warum diese dennoch gestiegen sei, könne er sich nicht erklären. Trotzdem sehe der Verband "keinen Handlungsbedarf."