Berlin - Wegen des umstrittenen Glücksspielstaatsvertrages gibt es in Brüssel heftigen Ärger. So hat der Juristische Dienst der EU-Kommission in einem deutschen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bemerkenswert klar gegen den Glücksspielstaatsvertrag Stellung bezogen. Demzufolge ist die deutsche Glücksspielpolitik im Kern widersprüchlich, entsprechend seien die in der europäischen Rechtsprechung festgelegten Kriterien der Kohärenz und Systematik nicht erfüllt, heißt es in einem Schriftsatz an den EuGH, der der WELT vorliegt.

Diese offene Kritik von europäischer Seite zeigt, auf welch wackligen Füßen das erst Anfang 2008 in Kraft getretene Vertragswerk steht, das staatlichen Glücksspielanbietern ihre Monopolstellung sichert. Basis des Glücksspielstaatsvertrags war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2006. Demzufolge ist das staatliche Glücksspielmonopol dann zulässig, wenn die staatlichen Lottofirmen effektiv die Spielsucht bekämpfen, etwa indem sie auf Werbung verzichten oder diese stark beschränken.

Auch für Sportwetten gilt das Monopol. Andere Glücksspiele wie Pferdewetten oder Spielautomaten können indes weiterhin von privaten Betreibern angeboten werden. Genau an diesem Punkt setzt die Argumentation der Kommission an und legt nahe, dass in der deutschen Glücksspielpolitik einige Glücksspielarten günstiger behandelt werden als andere. "Als Glücksspiele, von denen die gleiche oder eine höhere Gefahr der Spielsucht ausgeht, sollten zumindest Pferdewetten, Glücksspielautomaten und Online-Spielbanken in die Prüfung mit einbezogen werden", heißt es.

Anlass des Schreibens ist eine Klage eines gibraltarischen Sportwettenanbieters gegen das Land Schleswig-Holstein. Der Anbieter wollte im Rahmen einer in seiner Heimat erworbenen Sportwettenlizenz und der europäischen Dienstleistungsfreiheit auch in Deutschland Sportwetten über das Internet anbieten. Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht äußerte in dem Verfahren Zweifel am Glücksspielstaatsvertrag und schaltete den EuGH ein - so wie weitere acht deutsche Verwaltungsgerichte.

Tatsächlich hatte die Kommission den Vertrag schon früher attackiert und Ende Januar sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Rechtsexperten werten die großen Bedenken des juristischen Dienstes als Indiz dafür, dass der EuGH am Ende gegen Deutschland entscheiden könnte. Der juristische Dienst habe hohes Gewicht, auch der EuGH folge oft seinen Einschätzungen, heißt es. Im Ernstfall droht dem Bund eine Millionenstrafe.