Verführung zum Glücksspiel wird immer größer

[Casinonews]

Expansion von Spielern in Spielhallen und gastronomischen Betrieben - Beratungsstelle in Stuttgart platzt aus allen Nähten

170 neue Konsumenten und 30 Angehörige haben seit Anfang dieses Jahres Kontakt zur Fachstelle Glückspiel und Medienkonsum der Evangelischen Gesellschaft (eva) gesucht. Ein möglicher Grund für den rasanten Anstieg könnte die Expansion der Geldspielgeräte in Spielhallen und gastronomischen Betrieben sein.

S-MITTE - Dass der Glücksspielvertrag zum 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, das findet Günther Zeltner, Leiter des Behandlungszentrums für Suchterkrankungen der Evangelischen Gesellschaft, prinzipiell ja gut. Aber: "Reglementiert sind darin nur die staatlichen Anbieter von Glücksspielen wie die Spielbanken oder Toto-Lotto. Alle anderen Bereiche wie etwa Internetwetten, illegale Glücksspiele und Geldspielautomaten sind unzureichend geregelt", ärgert er sich. Das heißt konkret, dass zwar die Besucherzahlen in den Spielbänken und deren Bruttospielerträge in Baden-Württemberg um knapp 25 Prozent gesunken sind, sich die Expansion der Geldspielgeräte in Spielhallen und gastronomischen Bereichen jedoch fortsetzt.

Mehr Geldspielgeräte denn je werden aufgestellt und Kunden zum Glücksspiel verführt. Bis diese Menschen dann vielleicht irgendwann einmal als Klienten vor der Beratungsstelle der Evangelischen Gesellschaft stehen. "Die Anzahl der neuen Klienten hat sich in diesem Jahr verdoppelt, wir platzen aus allen Nähten, was die Versorgungssituation der Spielsüchtigen angeht", so Zeltner. Viele derer, die er betreut, haben ihr Glück in Spielhallen versucht oder wurden beim Pokern und durch Internetwetten spielsüchtig. "Mit dem Glücksspielvertrag hatten wir uns erhofft, dass unsere Beratungsstelle auch entsprechend personell ausgestattet wird."

Doch darauf wartet Zeltner noch, denn es stehen nur zwei Fachpersonalstellen für Beratung und Bildung zur Verfügung. Wie solle man so die große Zahl von Betroffenen und Angehörigen angemessen beraten? "Die Stadt Stuttgart profitiert vom Glückspiel, hat nach Schätzungen der eva 1,7 Millionen Vergnügungssteuer im Jahr 2006 eingenommen. Sie muss aber auch Hilfen anbieten, viel entschiedener gegen das Glücksspiel vorgehen, die drastische Zunahme der Geldspielgeräte und Spielhallen begrenzen und Beratungsangebote in Stuttgart und Umgebung ausbauen."

In die gleiche Kerbe schlägt Jürgen Trumper vom Arbeitskreis gegen Spielsucht. Er hat aktuell eine bundesweite Untersuchung zur "Angebotsstruktur der Spielhallen und Geldspielgeräte in Deutschland" durchgeführt. So stieg in den vergangenen acht Jahren die Anzahl der Geldspielgeräte in Spielhallen in Baden-Württemberg um 71,30 Prozent an, die Spielhallenkonzessionen um 44,06 Prozent und die Spielhallenstandorte um 28,60 Prozent. In Stuttgart gibt es 48 Spielhallen mit 574 Spielgeräten, weitere 895 findet man in gastronomischen Betrieben. "Die Ansiedlung von Spielhallen ist für Kommunen sehr lukrativ, wegen der Vergnügungssteuer", weiß er.

Mittlerweile expandiert lediglich im Freistaat Bayern der Markt der Spielhallen und Geldspielgeräte noch deutlich als in Baden-Württemberg. Waren früher noch zwei Geldspielgeräte in gastronomischen Betrieben zugelassen, so sind es jetzt drei. Früher, so Trumper, habe es ein klar überschaubare Klientel an Glücksspielsüchtigen gegeben. Doch jetzt könne man noch auf Sportwetten setzten, in Pokerrooms zocken oder auch bei so genannten "Call-in-Spielen" mitmachen. "Etwa 20.000 Anrufe verzeichnet der Sender "Neun life" laut seines Quartalberichts von 2/2002 pro Stunde", berichtet der Fachmann. Was tun gegen die Glücksspielsucht? Günther Zeltner hofft auf ein Hearing im Landtag, damit die Problematik deutlicher wahrgenommen werde. Außerdem fordert er, dass das Hilfesystem ausgebaut wird. "Wir selbst beim Beratungszentrum für Suchterkrankungen bräuchten eine weitere Stelle, um die Klienten zu behandeln."