Deutsche Spielbanken stehen kurz vor dem Ruin und staatliche Glücksspiel-Veranstalter verlieren rasant Kunden an private oder illegale Konkurrenten. Nur das klassische Lotto rechnet sich noch.
Deutschlands Spielbanken locken mit gepflegter Unterhaltung, edlen Getränken und hohen Gewinnen. In Garmisch-Partenkirchen treten Künstler, Artisten und Musiker auf. Das Casino in Westerland auf Sylt spendiert jeden Mittwoch den weiblichen Besuchern ein Glas Sekt.
Die Gäste lässt das kalt, sie bleiben trotzdem fern. "Wir sind an mehreren Standorten in große Not geraten", sagt Matthias Hein, Geschäftsführer der schleswig-holsteinischen Spielbanken. "Wir können dort die Gehälter nicht mehr aus dem laufenden Betrieb zahlen." Die Gesellschafter, eine Staatsbank und private Investoren, müssten Kapital zuschießen.
Spielbanken vor der Pleite
Das nördlichste Bundesland ist kein Einzelfall. Quer durch die Republik sinken die Umsätze drastisch. Jedes dritte der insgesamt 63 Casinos sei "massiv unter Druck", sagt Hein, der auch die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Spielbanken leitet. Die Finanzminister der Bundesländer müssten die Abgaben senken, sonst bleibe nichts anderes übrig, als Personal zu entlassen oder gar Standorte zu schließen.
In Sachsen-Anhalt musste das Land den Casinos sogar schon Zuschüsse gewähren, um Insolvenzen zu vermeiden. Eine Spielbank, die pleiteginge, das wäre mehr als ungewöhnlich. Normalerweise schaffen es nur spielsüchtige Besucher, Haus und Hof zu verzocken.
Rauchverbot vertreibt Gäste
Drei Gründe nennt Hein für die Misere der vom Staat oder privaten Investoren betriebenen Casinos. Das Rauchverbot, das viele Gäste vertreibe. Die zusätzlichen Ausweiskontrollen, die seit Jahresanfang gelten und helfen sollen, labile Zocker herauszufiltern, bevor die ihr Vermögen verlieren. Und die abflauende Konjunktur.
Der Spielerschutz sei wichtig, sagt Hein, doch der Staat agiere inkonsequent. Die Gäste wanderten in die Spielhallen ab, ins Internet, oder in irgendwelche Hinterzimmer, in denen verbotenerweise um Geld gepokert werde. "Darum kümmern sich die Behörden kaum", klagt der Chef der Arbeitsgemeinschaft der Spielbanken.
Der Staat, das sind in diesem Fall die 16 Bundesländer, die das Glücksspiel in Deutschland regeln und vielfach auch gleich selbst veranstalten. Mit Lotto und Toto, der Glücksspirale und Klassenlotterien, und eben auch in Casinos. Zum 1. Januar 2008 haben die Länder neue Spielregeln erlassen, die den Verbraucherschutz stärken sollen.
Klassenlotterien kämpfen ums Überleben
Teilweise war das auch nötig, weil viele Casinos ihre Gäste unzureichend kontrollierten oder die Klassenlotterien Bürger mit unerwünschten Werbeanrufen zuhause nervten. Vor allem aber wollten die Ministerpräsidenten ihr ertragreiches Monopol bei Lotto und anderen Angeboten schützen. Dieses Monopol ist nur zulässig, wenn es den Ländern nicht darum geht, die eigenen Bürger zum Tippen und Zocken zu verführen, um sie abzukassieren.
Sondern wenn der Schutz vor der Spielsucht im Vordergrund steht. So hatte es das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Ministerpräsidenten mussten handeln - und haben nicht nur nach Heins Ansicht das "Kind mit dem Bad ausgeschüttet".
Ums Überleben kämpfen auch die von den Ländern getragenen Klassenlotterien in Süd- und Norddeutschland, die SKL und die NKL. "Wir erreichen unsere Kunden nicht mehr", sagt NKL-Vorstand Jan Christiansen. "Unsere Existenz ist gefährdet." Nicht nur der Losverkauf per Telefon wurde verboten. Die Klassenlotterien dürfen auch nicht mehr im Fernsehen werben.
Mit 30 Prozent weniger Einnahmen rechnet die NKL im laufenden Geschäftsjahr. 15 Prozent hat die SKL bislang verloren. SKL-Direktor Gerhard Rombach befürchtet, dass auf Dauer ebenfalls 30 Prozent fehlen, wie bei der NKL. Schwer getroffen sind auch Oddset und Toto, die beiden Sportwettangebote des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB), den die staatlichen Lottogesellschaften der 16 Länder bilden. Die Werbung für Oddset wurde eingeschränkt.
Und wer beim Staat auf den Ausgang von Fußballspielen tippt, muss sich nun registrieren lassen. Gewettet werden darf nur noch mit Kundenkarte. Das mögen viele Sportfans nicht, sie tippen lieber per Internet bei privaten Anbietern wie Bwin, die höhere Gewinne offerieren.
Nur die Erlöse beim Lotto sind stabil
"Kommt es zu keiner Korrektur, dann wird Oddset auf Dauer wohl keine Chance mehr haben", sagt Theo Zwanziger, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Der DFB-Chef verlangt von den Ministerpräsidenten, dass sie die Regeln ändern (Kasten). Die Suchtgefahr bei Sportwetten sei nicht so groß wie bei den Spielbanken.
Einigermaßen stabil sind nur noch die Erlöse beim klassischen Lotto, den beiden Zusatzlotterien Super 6 und Spiel 77 sowie bei der Glücksspirale. Hier hat sich für die Kunden wenig geändert. Lotto bringt den Ländern auch das meiste Geld, vor allem diese Einnahmequelle soll erhalten werden.
Würde der Staat beispielsweise den Sportwettenmarkt für private Konkurrenten offiziell öffnen, dann ließen wohl auch Anträge auf Zulassung kommerzieller Lotto-Veranstalter nicht lange auf sich warten. Zumindest wird das in manchen Ländern und Lottogesellschaften geargwöhnt.
Hier werde offenbar auf Zeit gespielt, glaubt DFB-Chef Zwanziger, um das Lottomonopol zu schützen. Das gehe zu Lasten der Sportverbände. "Auch wir haben den Kollateralschaden", schließt sich Spielbankensprecher Hein an.
Deutlich mehr als vier Milliarden Euro im Jahr haben die Länder lange Zeit an Steuern und Abgaben bei den eigenen Glücksspielen kassiert. 2008 dürften es deutlicher weniger als vier Milliarden Euro werden. Die Casinos, die Klassenlotterien und die Sportwetten werfen immer weniger ab. Doch Friedhelm Repnik, Chef der Lottogesellschaft in Stuttgart und Sprecher des Deutschen Lotto-und Toto-Blocks, ist zuversichtlich, dass sich das staatliche Glücksspielmonopol retten lässt. Es müsse von den Behörden nur konsequent durchgesetzt werden.
[sz]