Zocker im Fußballfieber

[Casinonews]

13.06.2008

Die Deutschen werden während der EM voraussichtlich mehr als 800 Millionen Euro bei Sportwetten verspielen.
Von Alexander Mühlauer

In Berlin-Friedrichshain, unweit des S-Bahnhofs Landsberger Allee, im Erdgeschoss der Hausnummer 97, suchen sie das Glück hinter grauen Vorhängen und Yucca-Palmen, die mal wieder gegossen werden müssten. Hier, im "Wettbüro Goldesel", hocken sie und träumen vom großen Gewinn, wenn schottische Windhunde und argentinische Pferde über flimmernde Bildschirme flitzen oder Lukas Podolski zwei Tore für Deutschland schießt. Es sind Männer, die Jochen, Heinz oder Frankie heißen, gerne karierte Hemden tragen und hier ihr Geld machen wollen - mit Sportwetten.
Hinter dem Tresen steht Bernd Hobiger, 47, runde Brille, Typ schmalbrüstiger Professor. Ihm gehört der "Goldesel". Er sagt: "Ick bin Buchmacher", und schiebt im selben Atemzug hinterher: "Staatlich konzessioniert, verstehste." In Deutschland dürfen außer der staatlichen Gesellschaft Oddset nur vier Buchmacher Sportwetten anbieten. Einer von ihnen ist Hobiger.
Drei Milliarden Euro für Sportwetten
In der DDR hatte der gelernte Elektriker als Angestellter Wetten an die Trabrennbahn Karlshorst vermittelt. Nach der Wende verlor er seinen Job und beantragte als einer von vier DDR-Bürgern eine Buchmacherlizenz. Dieses Formular, das den Stempel des Rates der Stadt Ostberlin trägt, wurde am 18. September 1990 ausgestellt und ist bis heute gültig. Neben Pferdewetten darf Hobiger auch Wetten auf andere Sportarten anbieten. "In Berlin darf das nur icke", sagt er stolz.
Zurzeit kommen nicht nur Männer mit karierten Hemden zu Hobiger, auch mal Frauen, sagt er, oder Punks mit T-Shirts, auf denen steht: "Keiner ist gemeiner als der Friedrichshainer". Die Fußball-EM spült viele neue Kunden in Hobigers Laden. Während der EM boomt das Geschäft.
Etwa 800 Millionen Euro werden deutsche Zocker während der EM verwetten, schätzen Branchenkenner. Insgesamt sind es mehr als drei Milliarden Euro, die jährlich in Deutschland für Sportwetten ausgegeben werden. Laut einer Studie des Kölner Instituts Sport + Markt sollen sieben Millionen Bundesbürger aktive Wetter sein, 10,4 Millionen interessieren sich für Sportwetten.
Anbieter locken mit Begrüßungsgeschenken
Es sind vor allem private Internet-Anbieter, die davon profitieren. Rund 3500 virtuelle Casinos, vorzugsweise mit Sitz in der Karibik oder auf britischen Kanalinseln, buhlen um das Geld deutscher Zocker. Wie es geht, versteht man schnell. Als Faustregel gilt: Je gewagter der Tipp, desto höher die Wettquote. Wer beispielsweise beim Anbieter Bwin einen Euro auf Österreich als Europameister setzt, bekäme 2010 Euro, sollten die Kicker aus der Alpenrepublik gewinnen. Setzt man einen Euro auf Deutschland als EM-Sieger, gibt es nur 4,35 Euro.
Auf ihren Internet-Seiten locken die Sportwetten-Anbieter mit Begrüßungsgeschenken - "exklusiv nur bis zum 29. Juni", dem Tag des EM-Finales. Bwin verspricht beispielsweise "30 Euro Bonus!", bet-at-home verschenkt einen Bonus von bis zu 200 Euro. Und Sportingbet sowie Bettingstar24 verdoppeln die Einzahlungssumme bis 50 Euro.
Bei den meisten Lockangeboten müssen Neukunden allerdings genau rechnen: Bevor der Spieler das Geld kassiert, muss es mehrfach verwettet werden - bei Sportingbet zum Beispiel sechsmal zu einer Mindestquote von 1,30. Erst wenn diese sechs Wetten erfolgreich waren, gehört das Geld dem Spieler. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine der sechs Pflichtwetten nicht gewinnt, ist hoch. Es ist eben wie im Casino: Man bekommt die Begrüßungsjetons fürs Roulette auch erst, wenn man Eintritt bezahlt hat.