Geldstrafe von 1.300 Euro - Anwalt will gegen Urteil vorgehen - Europarechtler sieht "rechtspolitischen Skandal"
Der Casinobetreiber Ernst Engelmann ist am Dienstag vom Landesgericht Linz wegen illegalen Glücksspiels zu einer Geldstrafe von 1.300 Euro bedingt auf ein Jahr verurteilt worden. Der Entscheid ist rechtskräftig, teilte der oberösterreichische Europarechtler Franz Leidenmühler mit. Mit dem Fall Engelmann war auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) befasst.
Engelmann hatte gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Linz im Jahr 2007 Berufung eingelegt, woraufhin das Landesgericht den EuGH anrief. Es ging um die Frage, ob die Vergabe der Casinolizenzen in Österreich an die Casinos Austria EU-rechtskonform war - was der EuGH im Herbst 2010 verneinte. Wegen der Causa musste das österreichische Glücksspielgesetz novelliert werden, nun müssen die Spielbanklizenzen EU-weit ausgeschrieben werden.
Anwalt will einschreiten
Der Anwalt Ernst Engelmanns, Patrick Ruth, will "alle Möglichkeiten ausschöpfen", um gegen das an sich rechtskräftige Urteil vorzugehen. "Das kann man nicht so stehenlassen", sagte der Rechtsvertreter am Nachmittag. Unter anderem will er in Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich anregen.
Die erste Möglichkeit, die Ruth sieht, ist eine Kommissionsbeschwerde. "Wenn der EuGH sagt, die bisherige Konzessionsvergabe ist rechtswidrig, kann das Linzer Gericht nicht sagen, wir sehen das anders." Zudem möchte Ruth in Brüssel erwirken, dass über die Republik Österreich ein Zwangsgeld von 50.000 Euro pro Tag verhängt wird, weil EU-Vorschriften nicht eingehalten worden seien. "Herr Engelmann ist in dem Verfahren kein einziges Mal gefragt worden, ob er eine AG hat."
Staatshaftungsverfahren angedacht
Eine weitere Option wäre die Anstrengung eines Staatshaftungsverfahrens, meinte der Rechtsvertreter. "Wenn ein österreichisches Gericht einen Fehler macht und dadurch ein Schaden entstanden ist, haftet die Republik." Sein Mandant, der wegen Betriebs zweier illegaler Spielcasinos in Linz und Schärding vor Gericht kam, müsse zwar die Strafe von 1.300 Euro nicht zahlen, ihm seien jedoch Anwaltskosten entstanden und ein Verdienst entgangen. Zudem denkt Ruth an eine Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof (OGH) sowie ein Grundrechtsbeschwerde in Straßburg.
"Skandalös"
Auch Helmut Kafka vom Automatenverband findet den Linzer Entscheid "skandalös", es handle es um ein "politisch erwünschtes Urteil, wie er sagte. Skurrilität am Rande: Kurz nach dem EuGH-Urteil vom September 2010 habe das Landesgericht Linz Ruth mitgeteilt, dass der Akt zur Causa Engelmann verloren gegangen sei. "Der wurde dann aus meinen Unterlagen wieder rekonstruiert", sagte der Anwalt. Auch die beschlagnahmten Pokertische Engelmanns seien verlustig gegangen. Engelmann ist übrigens in Pension, laut Angaben seines Anwalts betreibt er keine Casinos mehr.
Europarechtler sieht "rechtspolitischen Skandal"
Nach Ansicht des Linzer Europarechtlers Franz Leidenmühler hätte Ernst Engelmann nicht verurteilt werden dürfen, da die EU-Richter die Vergabe der Spielbankkonzessionen im Herbst 2010 für europarechtswidrig befunden haben. Engelmann hätte nach Ansicht des Juristen daher straffrei ausgehen müssen. "Wenn Unionsrecht und nationales Recht kollidieren, darf nationales Recht nicht angewandt werden." Außerdem ortet der Linzer Jurist einen Eingriff des Justizministeriums in das Engelmann-Verfahren.
Laut EuGH sind die - mittlerweile novellierten - österreichischen Rechtsvorschriften, die den Betrieb von Spielbanken Gesellschaften mit Sitz im Inland vorbehalten, EU-rechtswidrig. Außerdem rügte der EuGH die mangelnde Transparenz bei der Vergabe der 2012 bzw. 2015 auslaufenden Casinokonzessionen an die Casinos Austria. Dass keine Ausschreibung stattgefunden hat, stehe nicht mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit der EU im Einklang.
Keine Möglichkeit für Lizenz
Der deutsche Staatsbürger Engelmann hätte nach Meinung Leidenmühlers damals gar keine Möglichkeit gehabt, sich um eine Casinolizenz zu bewerben. Diese seien nämlich "unter der Hand vergeben" worden. Das Landesgericht Linz sah das offenbar anders: Der Richter habe das Urteil damit begründet, dass Engelmann keine Kapitalgesellschaft gehabt habe, was ebenfalls Voraussetzung für den Erhalt einer Spielbankkonzession ist.
Für Leidenmühler ist das in mehrerlei Hinsicht äußerst bedenklich. Zum einen habe das Landesgericht Linz die EuGH-Judikatur verkannt. Denn etwa im Fall Placanica, bei dem es um das italienische Lizenzsystem für Sportwetten ging, habe der EuGH befunden, dass jemand, dem unionsrechtswidrigerweise eine Konzession verweigert wird, nicht bestraft werden darf. "Jetzt zu sagen, wir strafen den Herrn Engelmann, ist wirklich fast eine Chuzpe", empörte sich Leidenmühler, stellvertretender Vorstand des Instituts für Europarecht an der Johannes Kepler Universität Linz.
Stellungnahme der Justiz
Noch mehr stößt sich der Jurist aber daran, dass das Justizministerium im Oktober 2010 auf seiner Homepage eine Stellungnahme "zu den Folgen der Rechtssache Engelmann für das österreichische Glücksspielmonopol" veröffentlicht hat. "Das hat es noch nie gegeben, dass das Justizministerium in einem laufenden Strafverfahren eine rechtliche Meinung publiziert", so Leidenmühler. Er ortet einen "klaren Verstoß" gegen Artikel 6 der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), in dem das Recht auf ein faires Verfahren verankert ist. "Es genügt, wenn schon der äußere Anschein der Befangenheit gestört ist", erläuterte Leidenmühler.
Das Justizministerium betone zwar in dem immer noch im Internet abrufbaren Papier, dass "die Ausführungen über die Strafbarkeit eines konzessionslosen Glücksspiels die Rechtsmeinung des Bundesministeriums für Justiz widerspiegelt und nicht geeignet ist, die unabhängige Rechtssprechung zu präjudizieren". De facto, so der Glücksspielrechtsexperte, handle es sich aber um einen "autoritären Eingriff" in das Engelmann-Verfahren. Das Linzer Landesgericht habe bei der heutigen Verhandlung sogar explizit auf die Stellungnahme des Ministeriums Bezug genommen.
Leidenmühler befasst sich unter anderem mit Glücksspiel und ist auch im laufenden EuGH-Verfahren zum österreichischen Lotterienmonopol aktiv. Dabei berät er den Online-Sportwettenanbieter bet-at-home, dessen Gründer in Linz wegen illegalen Glücksspiels angezeigt wurden. Am 31. März folgt in dieser Causa der Schlussantrag des Generalanwalts. Diesen will das Finanzministerium abwarten, ehe mit der Ausschreibung der Glücksspielkonzessionen begonnen wird.