Casino Forum Pressemeldung vom 3.Mai 2005

Amerika verfällt erneut dem Poker-Rausch

Ein altes Spiel stürzt Amerika in einen neuen Rausch - Millionen US-Bürger entdecken Poker, tausende versuchen sich als Profis

Von Markus Günther

Wenn Arnie Wexler, Psychologe und Suchtberater mit dem Spezialgebiet „Spielsucht“, früher ans Telefon ging, waren meist Verzweifelte am Apparat, die dem „Einarmigen Banditen“ zum Opfer gefallen waren, ihr Vermögen am Roulettetisch verspielt hatten oder jeden verfügbaren Dollar in Sportwetten investierten. Die, die heute Wexler anrufen, sind genauso verzweifelt, aber sie sind einer anderen Sucht verfallen: Poker. Seit zwei Jahren erlebt das uralte Kartenspiel, das selbst in Las Vegas nur noch ein trostloses Dasein in verrauchten Hinterzimmern führte, einen sagenhaften Boom.

Seit der Sportsender ESPN im Jahr 2003 die Poker-Weltmeisterschaft live im Fernsehen übertrug und Millionen zusehen konnten, wie ein Hobby-Spieler mit Glück und Geschick Dollar-Millionär wurde, ist ganz Amerika im Poker-Rausch. „Ich habe gerade einen Anruf von einem Jungen aus Pennsylvania bekommen“, erzählt Wexler, „er ist Student, 22 Jahre alt, und hat mit der Kreditkarte seines Vaters im Internet gepokert, bis die Karte gesperrt wurde.“ Alles an diesem Fall, sagt Wexler, ist typisch: Das Alter des Spielers, das Pokern im Internet, das Spielen, bis kein Geld mehr übrig ist. Vor allem junge Leute seien anfällig für die Versuchung, im Internet zu zocken. Ein Viertel seiner Patienten in der SpielsuchtBeratung seien unter 25.

Die rasant steigenden Zahlen der Poker-Spieler im Internet verdeutlichen wahrscheinlich am besten den schier unglaublichen Boom, den das Spiel in den USA derzeit erlebt: 1,8 Millionen Spieler sind im Durchschnitt zu jeder Tageszeit in einem der Online-Casinos und spielen Poker. Im Januar 2003 wurden täglich elf Millionen Dollar verspielt, jetzt sind es 180 Millionen. Die Netzplattformen für Poker werden in diesem Jahr voraussichtlich zwei Milliarden Dollar brutto verdienen. Doch das Poker-Fieber grassiert nicht nur im Internet. Überall in den USA werden plötzlich öffentliche Poker-Turniere organisiert, drei Fernsehsender haben jetzt tägliche Poker-Sendungen im Programm und erzielen damit Rekordeinschaltquoten, „Poker-Schulen“ für Anfänger gibt es inzwischen in jeder größeren Stadt, und Firmen wie „Poker Guy“ bieten die Ausrichtung eines privaten Poker-Turniers im heimischen Wohnzimmer an - Poker-Chips, Kellnerinnen und Zigarren inklusive. Die meisten Schulen mussten zudem neue Verbote erlassen, um das Pokern auf dem Schulgelände zu unterbinden.

Saldo von 300 Euro - zu wenig zum Leben

Zumeist wird eine bestimmte Variante des Poker gespielt, das einfach zu lernende „Texas Hold’em“, bei dem jeder Spieler zwei Karten bekommt, bevor dann fünf „Gemeinschaftskarten“ offen auf den Tisch gelegt werden. Jeder Spieler setzt sein Geld, wenn er will, auf das beste Blatt, das er aus den zwei eigenen und drei der fünf offenen Karten bilden kann. Wie beim traditionellen Poker kann man durch Bluffen versuchen, die Gegner zum frühzeitigen Ausstieg zu bewegen. Boyd Leys ist einer von vermutlich zehntausenden in den USA, die in den letzten zwei Jahren ihren Job aufgegeben und Pokern zum Beruf gemacht haben. „Ich habe keine Illusionen mehr, im Handumdrehen Millionär zu werden“, sagt der 50 Jahre alte Informatiker, der in seinem alten Beruf 65 000 Dollar im Jahr verdient hat, „aber ich versuche, ein normales Einkommen mit Pokern zu erzielen.“ Bislang, gesteht er ein, hat er das Ziel noch nicht erreicht. Obwohl er sechs Stunden pro Tag online spielt, liegt der Saldo aus Gewinnen und Verlusten nur bei 300 Dollar pro Monat. Auch Bill Seymour hat seinen Beruf aufgegeben, um vom Poker-Boom zu profitieren. Er macht es anders und bietet sich als Poker-Trainer an: „Seit man im Fernsehen erlebt hat, wie Anfänger Millionäre werden können, will jeder Pokern lernen, vom Pförtner bis zum Manager.“

Der Boom erklärt sich zum Teil aber auch mit der Rechtslage, die Poker in vielen Staaten, in denen andere Glücksspiele verboten sind, erlaubt. Außerdem hat der Staat nur wenig Kontrolle über die Spiele im Internet. Sogar im konservativen North Dakota sollten die Gesetze gelockert werden, damit der Boom nicht ganz an dem Agrarstaat vorbeigeht. „Herr Präsident, Poker ist kein Glücksspiel, sondern ein Spiel, in dem Erfahrungen und Fähigkeiten den Ausschlag geben. Ich beantrage, die Beschränkungen für Poker in unserem Staat aufzuheben“, forderte der republikanische Abgeordnete Jim Kasper im Parlament. „Wenn es uns gelingt, Internet-Poker-Casinos anzulocken“, meint der Politiker, „könnten wir damit mehr Steuereinnahmen erzielen, als wir bisher insgesamt haben.“

Quelle: pnp.de